Wählerisches Essen bei Kindern: Warum es ganz normal ist und was dahintersteckt

Wenn du dich entschieden hast diesen Artikel zu lesen, kennst du es wahrscheinlich: Dein Kind weigert sich (plötzlich), bestimmte Lebensmittel zu essen. Es besteht darauf, immer wieder dieselben wenigen Speisen -gerne Nudeln ohne Soße oder trockenes Brot – haben zu wollen. Das kann frustrierend und auch beunruhigend sein. Aber die gute Nachricht ist: Wählerisches Essen ist eine ganz normale Phase in der kindlichen Entwicklung – und hat sogar eine evolutionär sinnvolle Grundlage. Es ist eine Meisterleistung des menschlichen Nervensystems!

Wählerisches Essen: Eine Hirnentwicklungsphase - Neophobie

Zwischen dem dritten und ca. zehnten Lebensjahr durchlaufen viele Kinder eine oder mehrere Phasen des wählerischen Essens. Sie werden skeptischer gegenüber neuen Lebensmitteln, bevorzugen Bekanntes und verweigern oft bestimmte Texturen, Farben oder Gerüche. Dieses Phänomen, das auf der sogenannten „Neophobie“ (Angst vor Neuem) beruht, ist keine Ausnahme, sondern vielmehr die Regel.

Das Verhalten beginnt oft, sobald Kinder mobiler und unabhängiger werden. Das erklärt sich aus der biologischen Entwicklung: Sobald ein Kind anfängt, eigenständig die Welt zu erkunden, ist es aus evolutionärer Sicht sinnvoll, dass es Vorsicht walten lässt. Diese Skepsis vor Unbekanntem war früher überlebenswichtig, um zu verhindern, dass Kinder giftige oder unbekömmliche Pflanzen essen.

Ein evolutionäres Schutzprogramm – das Nervensystem agiert autonom

Neben der Neophobie spielt auch ein natürliches Schutzprogramm als Ursache des wählerischen Essens eine Rolle. In der Urgeschichte der Menschheit gab es keine Supermärkte mit kontrollierter Qualitätssicherung. Stattdessen mussten sich unsere Vorfahren darauf verlassen, essbare und sichere Lebensmittel in ihrer Umgebung zu finden. Für kleine Kinder, die oft von ihrer Neugier geleitet werden, hätte diese Freiheit fatale Folgen haben können. Eine instinktive Abneigung gegen unbekannte, grüne oder bittere Lebensmittel schützte sie vor potenziell giftigen Pflanzen oder verdorbenen Speisen.

Zusätzlich bevorzugen Kinder oft Lebensmittel mit mildem Geschmack, wie Brot, Nudeln oder Kartoffeln. Auch das ergibt evolutionär Sinn: Bitterstoffe, die in einigen Gemüsesorten vorkommen, sind in der Natur oft ein Hinweis auf Toxine. Der sensible Geschmackssinn von Kindern ist also nicht zufällig, sondern ein Überbleibsel aus früheren Zeiten.

Warum diese Phase normal ist

Wählerisches Essen bedeutet nicht, dass mit deinem Kind etwas „nicht stimmt“ oder dass du etwas falsch gemacht hast. Vielmehr handelt es sich, wie du bereits lesen konntest, um ein natürliches Entwicklungsphänomen, das mit der zunehmenden Autonomie des Kindes zusammenhängt.

Kinder beginnen in dieser Phase, ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen zu entwickeln und Kontrolle über bestimmte Bereiche ihres Lebens zu übernehmen – dazu gehört auch die Entscheidung, was sie essen möchten.

Allgemeine Tipps für den Umgang mit wählerischem Essen

Auch wenn wählerisches Essen normal ist, kann es für dich eine Herausforderung sein. Und leider kann eine suboptimale Begleitung in dieser Zeit, zu einer handfesten Essstörung führen. Deshalb sind hier einige grundsätzliche Strategien, die dir helfen können:

  • Gelassenheit bewahren: Mach keine große Sache aus dem Essverhalten. Druck und Zwang können das Problem verschlimmern.

  • Vorbild sein: Kinder orientieren sich stark an dem, was ihre Eltern tun. Wenn du selbst abwechslungsreich und genussvoll isst, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass dein Kind irgendwann neugierig wird.

  • Lebensmittel spielerisch präsentieren: Farbenfrohe Teller oder kreative Arrangements können das Interesse an neuen Lebensmitteln wecken.

  • Wiederholtes Anbieten: Es kann bis zu 15 oder 20 (je nach Literatur) Versuche dauern, bis ein Kind ein neues Lebensmittel akzeptiert. Geduld ist hier entscheidend.

  • Einbindung in die Zubereitung: Lass dein Kind beim Einkaufen oder Kochen mithelfen. Das steigert die Neugier und Akzeptanz.

  • Kleine Schritte: Biete neue Lebensmittel in Kombination mit bekannten Lieblingsspeisen an, um die Hemmschwelle zu senken.

Darüber hinaus stehe ich dir als Ernährungspädagogin gerne für eine persönliche 1:1-Begleitung zur Verfügung. Gemeinsam erheben wir den Status quo und überprüfen, ob in medizinischer oder psychologischer Hinsicht (es gibt auch Krankheitsbilder, die ein wählerisches Essen zur Folge haben) Handlungsbedarf besteht. Darüber hinaus erarbeiten wir individuelle Strategien, die auf die Bedürfnisse deiner Familie abgestimmt sind. Mein Ziel ist es, dir dabei zu helfen, den Umgang mit wählerischem Essen entspannt und erfolgreich zu gestalten. Kontaktiere mich jederzeit für ein Erstgespräch.

Fazit

Wählerisches Essen ist eine natürliche Phase in der Entwicklung deines Kindes und hat eine tiefere, evolutionäre Ursache. Es ist ein Zeichen dafür, dass dein Kind beginnt, seine Umwelt eigenständig zu erkunden und dabei vorsichtig vorgeht. Mit Geduld, Verständnis und einem spielerischen Umgang mit Lebensmitteln kannst du diese Phase gut begleiten. Wichtig ist, dass wählerisches Essen in den meisten Fällen von selbst wieder verschwindet (es sei denn die Phase wird nicht entsprechend begleitet) und das Kind irgendwann bereit ist, neue kulinarische Abenteuer zu wagen.

Wählerisches Essen bei Kindern: Warum es ganz normal ist und was dahintersteckt